Vaterschaftstest

Verwandtschaftstests – das Erbgut gibt Hinweise

Bruder und Schwester? Cousin und Cousine? Die Untersuchung des Erbguts kann helfen, wenn Fragen zur Verwandtschaft offen bleiben.

Verwandtschaftstests können Geschwister, Großeltern, Tanten/Onkel und Cousins/Cousinen identifizieren

Nicht immer lassen sich Fragen der Verwandtschaft eindeutig klären: Schwierig wird es vor allem, wenn wichtige Bindeglieder – Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten – verstorben oder nicht erreichbar sind. Ein genetischer Test kann dann helfen, offene Fragen zu beantworten1. Der Aufwand ist allerdings hoch und die Ergebnisse oft sehr unsicher.

Inhalte

Was ist möglich?

Unsere Vorfahren hinterlassen Spuren in unserem Erbgut, die über viele Generationen hinweg erhalten bleiben. Oft handelt es sich dabei aber nur um vage Hinweise, die nur die Wahrscheinlichkeit einer Verwandtschaft andeuten – diese aber nicht mit hinreichender Sicherheit beweisen.

Unter günstigen Bedingungen ist es jedoch möglich, halbwegs sichere Aussagen über folgende Verwandtschaftsverhältnisse zu erhalten:

  • Geschwister
  • Halbgeschwister
  • Großeltern und Enkel
  • Tante/Onkel und Nichte/Neffe
  • Cousin und Cousine

Deutlich schwieriger als ein Vaterschaftstest

Ein Verwandtschaftstest beruht auf ähnlichen Methoden, wie sie auch für die Feststellung der Vaterschaft verwendet werden. Dabei muss man sich bewusst sein, dass auch gängige Vaterschaftstests eine Abstammung nicht zweifelsfrei nachweisen können. Die Wahrscheinlichkeit, mit der sie ein richtiges Ergebnis vorhersagen, liegt aber in der Regel jenseits von 99,9 Prozent – sie werden daher von deutschen Gerichten als Beweis anerkannt.

Die Auswertung eines Vaterschaftstests wird dadurch erleichtert, dass die Herkunft der Erbinformation eindeutig bekannt ist: Jedes Kind erhält sein Erbgut je zur Hälfte von beiden Elternteilen. Bei Geschwistern ist die Situation jedoch deutlich komplizierter, da es vom Zufall abhängt, welchen Teil des Erbguts die Eltern an ihre Kinder weitergeben.

Inwieweit Geschwister genetisch übereinstimmen, ist daher im Einzelfall nicht vorhersehbar. Im Extremfall ist es sogar möglich, dass das Erbgut eines Geschwisterpaares so gut wie gar nicht übereinstimmt. Diese genetische Variabilität zeigt sich ja auch im äußeren Erscheinungsbild: Viele Geschwister sehen sich ähnlich – manche aber überhaupt nicht.

Bei weiter entfernten Verwandten wird es noch schwieriger, mögliche Vererbungsmuster vorherzusagen. Die Auswertung der genetischen Informationen ist daher sehr aufwendig und ohne spezielle Computerprogramme kaum möglich2. Ob ein Test zu einem aussagekräftigen Ergebnis führt, lässt sich in der Regel nicht im Voraus sagen.

Aufschlussreiche Merkmale im Erbgut

Ein Verwandtschaftstest untersucht zwar Merkmale des Erbguts, in der Regel werden dabei aber keine Gene näher bestimmt. Der Test liefert also keine tieferen Informationen über den untersuchten Menschen und erlaubt auch keine Rückschlüsse auf dessen Eigenschaften und Besonderheiten.

Stattdessen werden Teile des Erbguts analysiert, für die keine biologische Funktion bekannt ist. Wissenschaftler bezeichnen diese genetischen Merkmale als Short Tandem Repeats (STR): Es sind Abschnitte im Erbgut, die unterschiedlich lang sein können und sich meist deutlich zwischen einzelnen Personen unterscheiden.

Zugleich werden die STR-Merkmale aber fast immer getreu von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Dank dieser Eigenschaften – viele Varianten, aber stabile Vererbung – sind STR-Merkmale gut geeignet, um Rückschlüsse auf die Verwandtschaft zu ziehen.

Sie werden meist durch ein analytisches Verfahren bestimmt, das Kapillarelektrophorese genannt wird. Eine detaillierte Sequenzierung der DNA ist ebenfalls möglich und liefert auch in manchen Fällen genauere Ergebnisse. Im Vergleich zur Kapillarelektrophorese ist die Sequenzierung aber wesentlich aufwendiger und kostspieliger – sie kommt daher nur selten zum Einsatz3.

Verwandtschaftstests nutzen meist drei Gruppen von genetischen Markern, die jeweils unterschiedliche Aussagen erlauben.

  • STR-Merkmale auf den Autosomen – also alle Chromosomen außer X und Y – informieren über alle Verwandtschaftsverhältnisse
  • STR-Merkmale auf dem Y-Chromosom informieren für die männliche Abstammungslinie.
  • DNA in den Mitochondrien informiert über die weibliche Abstammungslinie.

STR-Merkmale auf den Autosomen

Eine wichtige Rolle spielen die sogenannten autosomalen STR-Merkmale. Diese Merkmale befinden sich auf den Autosomen, also den 22 „normalen‟ Chromosomen, die nicht zu den Geschlechtschromosomen X und Y gehören. Autosomale STR-Merkmale werden unabhängig vom Geschlecht vererbt, sie erlauben daher theoretisch die beste Zuordnung von Verwandtschaftsverhältnissen. Sie sind auch die einzigen Merkmale, die bei einem Vaterschaftstest berücksichtigt werden.

Allerdings sind autosomale STR-Merkmale in der Bevölkerung weit verbreitet und können daher von vielen verschiedenen Personen stammen. Um eine sichere Aussage treffen zu können, muss eine größere Anzahl dieser Merkmale bestimmt werden. Anschließend erfolgt eine aufwendige statistische Auswertung, in die auch die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung einfließt.

Die väterliche Linie: das Y-Chromosom

Einen starken Hinweis auf eine Verwandtschaft liefert das männliche Y-Chromosom. Es wird über Generationen hinweg vom Vater auf den Sohn vererbt, ohne dass es sich dabei wesentlich verändert. Das Y-Chromosom unterscheidet sich damit deutlich von den Autosomen und dem X-Chromosom, bei denen ein weitreichender Austausch zwischen väterlichen und mütterlichen Anteilen des Chromosomenpaars stattfindet.

Auf dem Y-Chromosom gibt es STR-Merkmale, die sich nur sehr langsam durch Mutationen verändern. Mit ihrer Hilfe lassen sich Verwandtschaftsverhältnisse über viele Generationen zurückverfolgen. Sie werden auch verwendet, um die Verwandtschaft zwischen lebenden Menschen und historischen Personen zu klären, die vor Jahrhunderten gestorben sind. So fanden Wissenschaftler Hinweise darauf, dass der 1826 verstorbene US-Präsident Thomas Jefferson wahrscheinlich einen Sohn mit einer Sklavin aus seinem Haushalt hatte4.

Es gibt aber auch STR-Merkmale auf dem Y-Chromosom, die sich schneller verändern. Unter günstigen Umständen erlauben diese Merkmale eine Unterscheidung von nahen Verwandten. So kann im besten Fall die Frage geklärt werden, welcher von zwei Brüdern der Vater eines Kindes ist. In vielen Fällen bleiben jedoch auch diese STR-Merkmale unverändert und erlauben daher keine zusätzlichen Aussagen5.

Die mütterliche Linie: mitochondriale DNA

Die mütterliche Linie lässt sich ebenfalls eindeutig bestimmen. Dazu wird ein winziger Teil der Erbinformation analysiert, der nicht auf den Chromosomen, sondern in kleinen Bestandteilen der Zellen gespeichert ist. Diese Mitochondrien, oft als Kraftwerke der Zellen bezeichnet, besitzen ein eigenes Erbgut, das bei der Vererbung eine Besonderheit aufweist: Bei der Befruchtung bleiben nur die Mitochondrien der mütterlichen Eizelle erhalten, die der männlichen Samenzelle gehen verloren.

Das Erbgut der Mitochondrien stammt also immer von der Mutter, unabhängig davon, ob das Kind männlich oder weiblich ist. Die mütterliche Linie lässt sich so über viele Generationen eindeutig bestimmen6. In einem spektakulärem Fall trug mitochondriale DNA dazu bei, die sterblichen Überreste des britischen Königs Richard des Dritten zu identifizieren. Der König starb im Jahr 1485 – das mitochondriale Erbgut seiner Familie ist aber bis heute weitgehend unverändert erhalten4.

Wie beim Y-Chromosom gibt es aber auch bei der mitochondrialen DNA eine wichtige Einschränkung: Die Unterscheidung zwischen einzelnen Personen ist sehr schwierig. Zum Beispiel lässt sich anhand dieser DNA in der Regel nicht feststellen, welche von zwei Schwestern die Mutter eines Kindes ist.

Grenzen der Aussagekraft

Forscher haben damit eine Reihe von Möglichkeiten, den Verwandtschaftsgrad zweier Personen zu bestimmen. Die gängigen Methoden beruhen jedoch auf statistischen Überlegungen: Sie liefern keinen Beweis für eine Verwandtschaft, sondern nur einen Wert für die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verwandtschaft besteht. Diese Wahrscheinlichkeit kann sehr hoch sein, bei Eltern-Kind-Beziehungen liegt sie bei fast 100 Prozent. Bei entfernteren Verwandtschaftsgraden nimmt die Unsicherheit jedoch deutlich zu, Wahrscheinlichkeiten von 50 bis 70 Prozent können dann bereits zu den besseren Ergebnissen zählen.

Generell nimmt die Aussagekraft der Tests deutlich ab,

  • je weiter entfernt der Verwandtschaftsgrad ist
  • je mehr weibliche Personen beteiligt sind
  • wenn die Personen nicht aus Europa oder Nordamerika stammen

⇒ Bei entfernten Verwandten sind die möglichen Vererbungsmuster sehr komplex. Viele der untersuchten Merkmale wurden dann von Personen eingebracht, die nicht zur untersuchten Abstammungslinie gehören. Dies erschwert die statistischen Berechnungen und macht das Ergebnis zunehmend unsicher.

⇒ Bei weiblichen Personen kann der Verwandtschaftstest nur auf zwei unabhängige Quellen zurückgreifen: autosomale STR-Merkmale und mitochondriale DNA. Bei männlichen Personen stehen noch die Daten der STR-Merkmale auf dem Y-Chromosom zur Verfügung – ihre Verwandtschaftsverhältnisse lassen sich daher besser bestimmen.

⇒ Viele Informationen über das Erbgut stammen von Menschen, die in Europa und Nordamerika leben. Eine zuverlässige Abschätzung der Verwandtschaftsverhältnisse setzt jedoch voraus, dass die Verteilung der STR-Merkmale in der Bevölkerung gut untersucht ist. Vor allem in den Ländern Afrikas und Asiens ist darüber jedoch deutlich weniger bekannt – die gängigen Verwandtschaftstests sind daher in diesen Fällen deutlich unsicherer7.

Wer führt einen Verwandtschaftstest durch?

Die Aussichten auf ein zuverlässiges Ergebnis steigen, wenn vor dem Test ein möglicher Stammbaum erstellt wird. Dies erleichtert zum einen die statistische Auswertung der genetischen Merkmale. Zum anderen erlaubt ein Stammbaum auch, zusätzliche Personen zu identifizieren, die die Aussagekraft des Ergebnisses erhöhen können. Zu beachten ist jedoch, dass in Deutschland auch für Verwandtschaftstests die strengen Bestimmungen des Gendiagnostikgesetzes gelten.

Es ist daher ratsam, sich gründlich auf den Test vorzubereiten. Seriöse Labore bieten daher in der Regel eine individuelle Beratung an, um ein möglichst aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Ein Experte entscheidet dann, welche Strategie am ehesten zum Erfolg führt – oder ob ein Versuch überhaupt aussichtsreich wäre.

Verwandtschaftstests werden häufig von analytischen Labors angeboten, die auch Vaterschaftstests durchführen. Die Vorgehensweise ist ähnlich: In der Regel genügt eine Speichelprobe, um die entsprechenden genetischen Merkmale zu erfassen. Aufgrund der aufwendigen Auswertung sind die Preise jedoch deutlich höher, selbst einfache Tests kosten um die 400 Euro.

Eine Liste deutscher Anbieter von Verwandtschaftstests finden Sie hier.

Quellen

1 J.M. Butler, Recent advances in forensic biology and forensic DNA typing: INTERPOL review 2019-2022, Forensic Science International. Synergy, 2023 (Link)
2 Ralf et al., Male Pedigree Toolbox: A Versatile Software for Y-STR Data Analyses, Genes, Februar 2024 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Claerhout et al., A game of hide and seq: Identification of parallel Y-STR evolution in deep-rooting pedigrees, European journal of human genetics, April 2019 (Link)
4 M. Kayser, Forensic use of Y-chromosome DNA: a general overview, Human Genetics, Mai 2017 (Link)
5 Ralf et al., Large-scale pedigree analysis highlights rapidly mutating Y-chromosomal short tandem repeats for differentiating patrilineal relatives and predicting their degrees of consanguinity, Human Genetics, Januar 2023 (Link)
6 Amorim et al., Mitochondrial DNA in human identification: a review, PeerJ, August 2019 (Link)
7 Zvénigorosky et al., The limitations of kinship determinations using STR data in ill-defined populations, International Journal of Legal Medicine, November 2020 (Link)
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